Zwei Jahre nach dem Tod der Großmutter macht sich eine Frau Mitte 50 auf eine langersehnte Reise.
Ohne Ziel, ohne Zeitvorgaben geht sie – nur mit einem Rucksack – von zu Hause fort.
Die Memoiren und Lebensweisheiten ihrer jüdischen Großmutter,
die ihr vor dem Tod ein großes Geheimnis – eine jahrelange Liebesbeziehung zu einem Arzt – anvertraut hat,
begleiten sie.
Ein tiefgründiger Roman mit autobiografischen Elementen,
der die Vielschichtigkeit der menschlichen Seele und Psyche beleuchtet
und Mut zur Weiblichkeit macht.
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LESEPROBE
Ich freute mich so sehr auf das Schweigen.
Jahre hindurch forderten mich meine Umwelt und meine Familie stets auf zu sprechen.
Da waren ständig Fragen, Entscheidungen, Gespräche. Ich war müde vom jahrelangen Reden.
Mein Hirn fühlte sich unruhig an am Beginn meiner Reise.
Ich hatte das innere Schweigen verlernt. Ich hatte die Ruhe verlernt.
Zwar hatte ich jahrelang meditiert, aber die innere Unruhe war trotz alledem ein treuer Begleiter geblieben, zu treu.
Ich lernte, meine inneren Monologe anzunehmen. Nicht mehr gegen sie anzukämpfen.
Ich lernte, Ja zu sagen. Zu mir Ja zu sagen.
Meinen Perfektionismus, meine hohen Ansprüche an mich selbst, meine Ungeduld und meine Fehler anzunehmen.
Meinen Körper zu lieben. Mehr Rundungen, ein paar Falten, weniger Kondition.
Ich durchlebte die Wechseljahre mit all den neuen Herausforderungen.
Ich lernte, mit jeder Hitzewallung meine Zellen zu spüren,
mich mit all den Frauen geistig zu verbinden, die sich über Jahrtausende hinweg dem Kreislauf des Lebens ebenfalls hingegeben hatten,
Kindheit, Jugend, Erwachsensein, Frau sein, gebärfähig sein, bluten, nicht mehr bluten, altern und vergehen.
Meine Vergänglichkeit lernte ich lieben so wie die Vergänglichkeit in der Natur.
Der ewige Kreislauf von Geburt und Tod, Entstehen und Vergehen.
Ich durchstreifte die Wälder. Die Sonne streichelte meine Haut.
Lichtflecken tanzten am moosigen Boden, sich ausdehnend, zusammenziehend, ewig bewegend, Hoffnung gebärend.
Sanft wehte der Wind und Blätter summten ihr Lied, zurückhaltend, leise, melodiös.
Dieses weiche, sommerliche Licht schenkte mir Zuversicht, ließ mich zur Ruhe kommen und gleichzeitig lebendig fühlen.
Mächtige Eichenbäume neigten mir ihre schweren Äste entgegen.
Wie oft hatten mich diese Bäume getröstet, ihre furchige Rinde war eine Aufforderung gewesen, durchzuhalten.
Wie oft hatte ich mit meinen Händen über sie gestrichen in schweren Momenten, Momenten des Zweifels und der Krisen.
Der Wald, mein Tröster, meine Kraftquelle, meine Inspiration. Ich spürte, wie ich allmählich ruhiger wurde.
Ich spürte die Gegenwart meiner Großmutter und war mir gewiss, dass sie mein Vorhaben gutgeheißen hätte.
Sie selbst hatte ja noch im hohen Alter die Welt bereist und aus dem Vollen des Lebens geschöpft.
Ich wollte alles hinter mir lassen.
Meine Familie, meine erwachsenen Kinder, meinen pensionierten Mann, meine Schwester, ihre Familie, meine Freundinnen, alles.
Mein Leben. Die Pflichten, die Verantwortung, Termine, Struktur, Alltag.
Im Rucksack ein Schlafsack, eine Isomatte und ein wenig Proviant.
Ich wollte mich finden. Neu definieren.
Gleichzeitig aber wusste ich gar nicht, was ich mir wünschte, erwartete.
Neue Menschen, Erfahrungen, Abenteuer, mich jung fühlen, mich lebendig fühlen, Einsamkeit, Schweigen, Reden?
Ich war verwirrt. Ich war auf der Suche, auf der Suche nach Leben.
Ja, das wollte ich: Ich wollte leben.
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INFORMATIONEN ZUM BUCH
Liz Mey
BLAUE JAHRE
ISBN: 978-3-903190-56-6
1. Auflage Dezember 2022, Hardcover, Fadenheftung, Lesebändchen
260 Seiten, € 24,20
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