Unsere Bücher

 

Zeitzeugen erzählen vom Kriegsende 1945, das sie im Waldviertel erlebt und überlebt haben.
Sie erzählen auch von ihrem Leben als Landarbeiter, Kleinhäuslerin, Bäuerin, Akademiker, Geschäftsfrau und -mann.
Ihre Erinnerungen sind präsent, viele Wunden geblieben.
Was zählt, ist der Blick nach vorne. Darin sind sich alle Zeitzeugen einig.

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LESEPROBE

Wir haben es nie als Not empfunden

Ich hatte drei Schwestern. Wir wohnten in Radschin, oberhalb von Kautzen. Dieses Dorf besteht nur aus ein paar verstreuten Häusern.
In Radschin wächst nicht sehr viel, da sind lauter Steine und der Grund war auch nicht eben. Wir waren arm, aber wir haben es nie als Not empfunden.
Es war einfach normal. Wir kannten es nicht anders. Uns ist nichts passiert. Mein Vater war nicht eingerückt, der konnte ja nicht gehen.
Aber damals war es nicht so, dass solche Menschen unterstützt wurden. Es gab keinen Groschen, von nirgendwoher. Auch nicht für die Kinder.
Und wir waren vier Kinder. Erst als Hitler kam, gab es etwas. Für die Kinder und für die Mütter.
Vorher war das so: Wenn du nichts gehabt hast, hast du nichts gehabt. Fertig!

Beim Bäcker roch es so gut

Mein Vater hatte eine Heimarbeit, da verdiente er 7 Schilling in der Woche. Damit musste er sechs Leute ernähren.
Von diesen 7 Schilling mussten wir leben. Wissen Sie, was meine Mutter gekauft hat?
Ein wenig Zucker, ein wenig Mehl und entweder ein halbes Kilo Schmalz oder ein halbes Kilo Fleisch. Erdäpfel hatten wir im Keller.
Die Kuh gab keine gute Milch, weil sie auch kein gutes Futter bekam. Aber wir sind nicht verhungert.

Als ich zwölf Jahre alt war, da war noch kein Krieg. Wir hatten bis 1 Uhr Schule.
Auf dem Schulweg musste ich beim Bäcker vorbeigehen.
Dort roch es so gut. Und ich hatte solchen Hunger. Aber ich habe nie um eine Semmel gefragt.
Vielleicht hätten sie mir eine gegeben, wenn ich gebeten hätte. Ich weiß es nicht. Aber ich habe es nicht getan.
Das war einfach so. Wenn ich heimgekommen bin, hat meine Mutter überlegt, was sie kochen kann. Da war es schon halb zwei.
Was hätte sie denn kochen sollen? Eine Stohsuppe und ein paar Erdäpfel, ein Ei.

Was ist schon arm?

Zum Anziehen gab es nur, was wir von wem anderen bekommen haben.
Und das war meist schon kaputt. Damals hat man nicht alles weggeworfen.
Und mit uns ist nicht viel geredet worden, da hat keiner etwas erklärt. Du hast eine Watschn bekommen und aus.
Was hätte man auch reden sollen?
Wir waren arm. Aber was ist schon arm?
So „schlecht“, wie es den Leuten heute geht, so schlecht ist es uns nicht gegangen.
Bei uns hat keiner lamentiert, heute jammert jeder. Keiner bekommt genug.
Dabei kann sich heute jeder kaufen, was er will.
Hier in Radschin waren zwei Bauern. Jeder hatte ein Pferd, sonst hatten sie selber auch nicht viel.
Und sie mussten ja auch immer etwas hergeben. Schon im Krieg.
Sie haben immer die Hühner verscheucht, wenn die Soldaten zählen gekommen sind.
Wir arbeiteten bei ihnen im Tagwerk.

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INFORMATIONEN ZUM BUCH

Brigitte Kaiser (Herausgeberin)
LEBEN ODER ÜBERLEBEN
Menschen im Waldviertel 1945
ISBN:  978-3-903190-48-1
Überarbeitete Neuauflage Jänner 2022 (Erstauflage 2015, edition innsalz)
Mit Farbfotografien von Johann J. Gruber
Hardcover, Fadenheftung, Lesebändchen
476 Seiten, € 29,70

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